Vortrag von Wilfried Stegmann, Erzählcafé am 7. Februar 2019 in Bad Fallingbostel
Die erste Entdeckung von Erdgas ist auf 6000 v. Chr. datiert. Die ersten Funde wurden im heutigen Iran gemacht, wo schon damals dieses sogenannte „ewige Feuer“ urkundlich erwähnt wurde. Die erste praktische Nutzung von Erdgas erfolgte jedoch in China. Dort wurde es um 900 v. Chr. zur Trocknung von Salz verwendet. Die Erdgasindustrie begann in den USA im Jahr 1825 im Westen des Bundesstaates New York. USA forcierten im Laufe der Zeit die Erdgasgewinnung und dominieren sie bis heute. Bis 1960 betrieben sie 80 % der globalen Erdgasförderung. Heute wird Erdgas vor allem in USA, Russland, Iran, Kanada gewonnen. Auffällig: Die Erdgasindustrie wird weltweit stark von amerikanischen und kanadischen Unternehmen geprägt.
Wenn man in heutiger Zeit der Politik und den Energieunternehmen zuhört, so wird gebetsmühlenartig das Mantra von Erdgas als idealer Partner für die Erneuerbaren Energien gepflegt. Dabei wird auch gerne der harmlose Begriff „Brückentechnologie“ genannt. Das Argument lautet: Erdgas drängt sich geradezu auf, bis eine Vollversorgung durch erneuerbare Energien erreicht ist. In dieser Sichtweise wird übersehen, dass es vielleicht sinnvollere Alternativen zum Erdgas gibt, Wasserstoff zum Beispiel.
In diversen wissenschaftlichen Veröffentlichungen geht man seit einigen Jahren mehrheitlich davon aus, dass Erdgas alles andere als klimafreundlich ist. 2014 kritisierte der US Professor Robert Howarth von der Cornell University im Bundesstaat New York die These vom sauberen Energieträger Erdgas. Er meinte, man müsse neben dem Treibhausgas CO2, das bei der Verbrennung von Erdgas entsteht, auch auf Methanemissionen schauen. Dann sei Erdgas ein größerer Treiber für die Erderwärmung als Kohle und Erdöl.
Methan ist ein mindestens 20- bis 30-mal stärkeres Klima-Gas als CO2. Bereits kleine Mengen Methan, die in die Atmosphäre entweichen, haben einen starken Einfluss auf den Klimawandel. Methan entweicht nicht bei der Verbrennung, sondern hauptsächlich bei der Förderung, beim Transport und bei der Verarbeitung von Erdgas. Durch Leckagen treten bei Förderung und Transport zwischen 2,4 und knapp sechs Prozent des Methans aus, Methan ist der Hauptbestandteil von Erdgas. In einer NDR Reportage wurde kürzlich darauf hingewiesen, dass ca. 40 % des Methangehaltes in der Atmosphäre das Resultat von undichten Stellen der Erdgasproduktion und des Erdgastransportes sind. Werden nur 3 Prozent der derzeitigen weltweiten Erdgasproduktion an Methanemissionen angesetzt, wirkt Erdgas bereits klimaschädlicher als Erdöl oder Kohle.
Zudem gibt es noch viele alte Förderstätten, aus denen unentwegt Erdgas in die Atmosphäre entweicht. Einmal ein tiefes Loch gebohrt, drängt oft kontinuierlich Gas an die Oberfläche. Allein in der Nordsee werden durch Gas-Leckagen rund um stillgelegte Bohrlöcher tausende Tonnen Treibhausgas freigesetzt. Matthias Haeckel vom GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel kommt deshalb zu dem Ergebnis „Wenn Bohrungen nach Gas zu so großen Methan-Emissionen in die Atmosphäre führen, müssen wir Erdgas neu überdenken“.
Beim Fracking wird durch eine Bohrung mit mehreren hundert Bar Druck eine Frac-Flüssigkeit in den Boden-Horizont gepresst, aus dem gefördert werden soll. Dazu dient Wasser, das zumeist mit chemischen Zusätzen und Quarzsand versetzt ist. So werden im Untergrund künstliche Risse erzeugt, der Quarzsand hält die Risse offenporig. Nach dem Aufbrechen des Untergrundes wird der Einpressdruck zurückgenommen und die eingepresste Flüssigkeit, die noch unter dem Druck der Gesteinsschicht steht, fließt größtenteils nach einigen Tagen zurück an die Oberfläche.
Diese chemischen Zusätze in diesem so genannten Lagerstättenwasser können sehr giftig sein. Es wurden z.B. auch Korrosionsschutzmittel, Mittel gegen Bakterienwachstum, Lösungsmittel, Gele, Säuren und vieles mehr eingesetzt.
Aber wohin mit diesen Flüssigkeiten? Oft sind sie sehr salzhaltig und können auch radioaktiv sein und enthalten einen Teil der Frac-Flüssigkeit mit z.B. krebserregendem Quecksilber oder Benzol. In dünnbesiedelten Gebieten der USA werden sie z.T. in offene Lagunen gepumpt. Das ist in Deutschland nicht erlaubt. Bei uns kam man auf die Idee, alte Bohrlöcher zu nutzen und dort dieses kontaminierte Abwasser hineinzupumpen.
Ein Vorteil, der bei Erdgas oft genannt wird, ist, dass es im Vergleich zu anderen Brennstoffen energieeffizienter ist. Erdgas verbrennt relativ sauber ohne Ruß und Asche und weist damit geringere Emissionswerte auf, als z.B. Erdöl oder Kohle. Dies ist eine sehr einseitige Betrachtung und sieht nur das aufbereitete Endprodukt. Was vorher alles passiert, wird ausgeblendet.
Das Gas, das in unserer Region vermutet wird, ist wahrscheinlich von minderer Qualität. H-Gas aus Russland oder Dänemark hat über 95 % Methan, L-Gas aus Norddeutschland besteht aus etwa 85 % Methan, 4 % weiteren Kohlenwasserstoffen und 11 % anderen Gasen. Zu diesen Nebenbestandteilen kann z.B. Schwefelwasserstoff gehören, was dazu führt, dass Korrosion an den Rohren ein Problem ist. Später müssen schweflige Anteile des Erdgases aufwendig entfernt werden. Eine größere Menge an Kohlenstoffdioxid aus dem Untergrund wird einfach in die Außenluft abgegeben.
Strömt das Gas durch Förderrohre, reichern sich an den Innenseiten der Rohre Krusten an, die giftiges Quecksilber sowie radioaktives Radium 226 und andere gefährliche Stoffe enthalten können. Radium 226 ist eine hochgiftige Substanz. Die Rohre müssen im Rahmen der Förderung regelmäßig gereinigt werden, damit die Ablagerungen nicht das Rohr verstopfen - eigentlich unter strengen Umweltschutz- und Sicherheitsmaßnahmen.
Auf dem Gelände der Firma Arens Rohrleitungsbau in Neuenkirchen-Brochdorf lagerten 2016 die Rohre jedoch illegal. Dort wurden sie auch gereinigt. Die NDR-Sendung "Markt" filmte auf einem der Rohre den Namen der Erdgasbohrstelle Söhlingen Ost Z8, die von dem Mineralölkonzern Exxon Mobil nahe der Ortschaft Bellen betrieben wird.
Der Betriebsplatz war nicht beim Gewerbeamt angemeldet. Mitarbeiter der Unteren Wasserbehörde Heidekreis haben dort eine Kontrolle durchgeführt. Vor Ort fand eine Reinigung von Rohren und Armaturen in einer Waschwanne statt, die nach erster Einschätzung nicht die allgemeinen Grundsätze des vorsorgenden Umweltschutzes erfüllt hat. Die Konsequenz war: „Aufgrund der potenziellen Gefährdung hat der Heidekreis die ungenehmigte Nutzung untersagt.“
Wie lange das wohl lief? Die Rohre müssen aber gereinigt werden, sonst werden sie unbrauchbar.
ExxonMobil will jetzt mit Genehmigung des LBEG (Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie) zukünftig Anlagenteile wie Rohre und Armaturen auf ihrem Betriebsgelände in Bellen, Samtgemeinde Bothel, reinigen. Außerdem sollen dort Abwässer, die bei der Reinigung von Anlagenteilen anfallen, aufbereitet werden. Täglich ist maximal mit einem Lastkraftwagen mit Anlagenteilen sowie zwei Tanklastwagen mit Reinigungswässern zu rechnen.
Erdgas zählt, wie auch Kohle und Erdöl, zu den fossilen Energieträgern. Ihre Verbrennung erzeugt CO2 und belastet grundsätzlich das Klima. Den Lagerstätten von Öl und Gas tief in der Erde verdanken wir, dass wir heute für Menschen geeigneten Lebensbedingungen vorfinden: Nicht zu kalt, nicht zu warm, gute Luft.
Fragt man mich, welches saubere Energien sind, so würde ich Windkraft, Wasserkraft, Solarkraft und Geothermie mit einigen Abstrichen zu den sauberen Energien zählen, die das Klima nicht belasten. Bei der Biomasseverwertung muss man unterscheiden. Solange Holz verwertet wird, was aus der Bestandespflege von Bäumen herrührt, bin ich auch noch einverstanden. Kritischer sehe ich Blockheizkraftwerke, wenn dabei große Mengen Holz verbrannt werden, die aus Abholzungen aus Osteuropa importiert werden. Und Biogasanlagen, wenn sie dazu führen, dass durch übermässigen Maisanbau die Böden verschlechtert werden. Zudem produzieren Biogasanlagen ebenfalls Methan, Leckagen, aus denen das Gas nach außen strömt, sind dabei nicht selten. Energieberater Stephan Neitzel aus Ganderkesee verweist auf Untersuchungen von 1000 Anlagen: Dabei waren 85 % undicht, besonders die älteren.
Tja und nun? Einerseits, so wird gesagt, sind wir ein modernes Industrieland mit einem hohen Energiebedarf, andererseits sind die meisten heutigen Energien umwelt- und klimaschädlich. Von den fossilen Energien müssen wir weg. Aber das ist leichter gesagt, als getan.
In der Diskussion, wie auf der Erde nachhaltigeres Leben möglich ist, sieht der langjährige Direktor des Potsdam-Institutes für Klimaforschung Hans-Joachim Schellnhuber diverse Möglichkeiten, komplett aus der CO2-Emission auszusteigen. Fraglich sei, ob dies schnell genug geschehe, um den Klimawandel noch zu stoppen.
Er sagt: „Wir werden natürlich fossile Brennstoffe durch Erneuerbare ersetzen. Wir werden zur Kreislaufwirtschaft kommen. Wir werden Böden nicht mehr hemmungslos ausbeuten und Massentierhaltung betreiben, sondern ins Gleichgewicht mit natürlichen Kreisläufen kommen. Da habe ich nicht den geringsten Zweifel, dass unsere Zivilisation sich in diese Richtung bewegt. Aber die Frage ist, schaffen wir das schnell genug ?“, so Schellnhuber. „Vielleicht werden uns auf einfachere Lebensverhältnisse einstellen müssen.“
Der Klimaforscher empfiehlt, sich auch wieder stärker an dem zu orientieren, was früher, also bei unseren Großeltern und Vorfahren, bereits gut funktioniert hat. Diese bewusste Ausrichtung auf traditionelles Wissen und an alten Werten führt nach seiner Auffassung zu einem ganzheitlicheren Denken.
Wie kommt es, dass heutzutage kurzfristiger Konsum und die Überbewertung von Eigennutz so weitverbreitete Ansichten sind? Dies deckt sich nicht mit unseren abendländischen und christlichen Werten wie Nächstenliebe, Vernunft, Gewissenhaftigkeit, Bescheidenheit, Solidarität oder Gerechtigkeit. Schellnhuber macht dafür ein „amerikanisches Denken“ verantwortlich, das sich nach dem zweiten Weltkrieg ausgebreitet hat. In Anbetracht der zunehmenden globalen Umweltzerstörung werden aber neue Denkmuster benötigt, die das menschliche Leben nicht weiter in eine Klimakatastrophe führen.
Die Menschen haben seit Jahrtausenden ihr Wissen von einer Generation an die nächste Generation weitergegeben. Oft war dieses „mit wenig auskommen“ der Großeltern-Generation aus der Not geboren. Heutzutage kann dieser Minimalismus-Trend als eine Antwort auf Fehlentwicklungen der Konsumgesellschaft gesehen werden. Wer nachhaltig und umweltbewusst leben will, kann die Dinge tun, die schon für unsere Großeltern selbstverständlich waren, z. B. Müll vermeiden, verpackungsfrei einkaufen, Lebensmittel selbst einlagern, sich mit der Natur auskennen, humusfördernde Landwirtschaft, reparieren statt wegschmeißen, Wanderschaft statt Urlaub.
Minimalistisch leben macht das Leben leichter und unbeschwerter. Irgendwie wünschen sich das die meisten Menschen. Eine Gesellschaft mit minimalistischen Werten bietet Ansätze für ein Gegenkonzept zum Wahnsinn der hemmungslosen Plünderung des Planeten Erde.